Von der Teeschale zur Teetasse
Tee gelangte zum ersten Mal im 17. Jahrhundert nach Europa. Bis das Heißgetränk unseren Kontinent erobert hatte, sollte es allerdings noch knapp 100 weitere Jahre dauern. Und selbst im frühen 18. Jahrhundert, als Tee gerade die Fahrt zur Spitze der Popularität begann, war er noch immer nicht das Alltagsgetränk, das er heute ist. Denn Tee war zunächst nur den Adeligen und Reichen vorbehalten und so exklusiv, dass sich so mancher gut betuchter Aristokrat sogar beim Teetrinken portraitieren ließ. Wenn Sie sich einmal eines dieser Portraits genauer anschauen, wird Ihnen vielleicht auffallen, dass die Teetassen damals noch vollkommen anders aussahen – und eigentlich gar keine Tassen sind, sondern Schalen. Dieser Beitrag handelt davon, wie aus der Teeschale die Teetasse wurde.
Importware aus China
Zunächst wurde nicht nur der Tee selbst, sondern auch das Teegeschirr aus China nach Europa importiert. Traditionell wird in China Tee nicht aus Tassen, sondern aus Schalen getrunken. Im 18. Jahrhundert waren Teeschalen daher der Status Quo, wenn es um Teegeschirr in Europa geht. Das chinesische Teegeschirr bestand aus kunstvollem und feinem Porzellan, nach dem die Europäer nahezu verrückt waren.
Aus diesem Grund versuchte man nach einiger Zeit, selbst Porzellan herzustellen – jedoch eher mit bescheidenem Erfolg. Denn die Rezeptur zur Herstellung von Porzellan war ein von den Chinesen wohlbehütetes Geheimnis. Zwar gab es damals auch in Europa zahlreiche meisterhafte Töpfereien, das delikate chinesische Porzellan konnte zunächst allerdings keine davon replizieren.
Teeschalen aus Weichporzellan
Anstelle von echtem Porzellan, das Hartporzellan genannt wird, kam bis etwa 1760 bei den in Europa angefertigten Teeschalen hauptsächlich sogenanntes Weichporzellan zum Einsatz. Hierfür wurde Ton mit Speckstein gemischt, um eine porzellanartige Textur zu erhalten. Da es sich bei Weichporzellan um ein poröses Material handelt, mussten die Teeschalen vor dem brennen glasiert werden.
Teeschalen aus Weichporzellan waren oftmals mit Ornamenten in blauer Farbe dekoriert, die in vielen Fällen direkt von der chinesischen Importware kopiert waren. Die blaue Farbe wurde genutzt, da sie ohne Probleme den hohen Temperaturen, die beim Brand der Teeschalen herrschten, widerstand. Waren noch weitere Farben gewünscht, dann wurden diese nach dem ersten Brand aufgetragen und die Schalen anschließend erneut bei niedrigeren Temperaturen gebrannt.
Dazu noch ein kleiner interessanter Fakt am Rande: Die hierbei verwendeten Farben hatten in der Regel eine Basis aus Blei. Für Töpfer, die mit diesen Farben arbeiteten, war es daher nicht unüblich, auf kurze oder lange Zeit eine Bleivergiftung zu erleiden. Wenn die Bleikonzentration in den Farben zu hoch war, dann konnte dieses Schicksal auch diejenigen ereilen, die später aus den Teeschalen tranken. Tee aus antikem Teegeschirr ist deshalb immer mit einer gewissen Vorsicht zu genießen.
Die Entdeckung von Hartporzellan
Interessanterweise wurde die Formel für Hartporzellan bereits 1708 in Deutschland entschlüsselt und Porzellan dort seit 1710 in der noch heute berühmten Meißener Porzellanfabrik hergestellt. Allerdings sollte es noch knapp 50 weitere Jahre dauern, bis auch der Rest von Europa das Geheimnis hinter Hartporzellan ergründet hatte.
Hartporzellan bot vollkommen neue Möglichkeiten für die Herstellung von Teegeschirr. So war es jetzt möglich, einen Henkel an der Teeschale anzubringen. Bei dem weniger robusten Weichporzellan überstand dieser meist den Brandvorgang nicht.
Wahrscheinlich begann man damit, Henkel an die Teeschalen anzubringen, um das Teetrinken komfortabler zu machen. Denn in Europa wurde der zuerst geläufige grüne Tee immer mehr von schwarzem Tee abgelöst, dessen kräftiger Geschmack dem europäischen Gaumen mehr zusagte. Da schwarzer Tee aber mit deutlich heißerem Wasser zubereitet wird, wurde das Trinken aus Teeschalen dadurch zu einer brenzligen Angelegenheit. Durch den Henkel ließ sich das Trinkgefäß wesentlich komfortabler greifen, ohne dass man dabei in Gefahr lief, sich die Finger zu verbrennen.
Warum benutzt man eigentlich eine Untertasse?
Wenn man Teegeschirr kauft, dann erhält man normalerweise ein Tee Set, bestehend aus einer Kanne, den zugehörigen Tassen und natürlich auch den passenden Untertassen. Heutzutage haben Untertassen in der Regel die Aufgabe, sowohl Tisch als auch Tischdecke vor verschüttetem Tee zu schützen.
Man geht davon aus, dass die Untertasse früher noch weitere Funktionen erfüllte. So konnte sie genutzt werden, um die Schale mit dem heißen Tee zu halten, während man aus ihr trank. Zudem sorgen sie für etwas mehr Stabilität der Tassen beim Einschenken des Tees, sodass hier weniger die Gefahr bestand, dass dabei Tee verschüttet wurde.
Sogar als Trinkgefäß selbst soll die Untertasse früher genutzt worden sein. Denn frühe Untertassen ähnelten weniger kleinen Tellern, sondern sahen aus wie flache Schalen. Der heiße Tee wurde in die Untertassen gegossen, damit er schneller abkühlen konnte und wurde dann auch direkt aus der Untertasse getrunken. Klingt ziemlich clever, oder? Allerdings würden wir nicht unbedingt dazu raten, diese frühere Trinkgewohnheit nachzuahmen. Zumindest nicht, wenn Sie zu einer Teeparty eingeladen sind. Es sei denn, Sie wollen entrüstete Blicke (und eventuell eine Ohrfeige) von Ihrem Gastgeber riskieren.
In diesem Sinne – hoch die Tassen!