Die Geschichte des Tees in Russland
Russland ist zwar nicht als Teeproduzent bekannt, dafür aber für seine Teekultur. Denn diese ist in dem Land, wo die Winter oft lang und kalt sind, besonders stark ausgeprägt. So kennt wahrscheinlich jeder Teefan den Samowar – die Teemaschine, die in Russland traditionell zur Teezubereitung genutzt wird. Doch wie kam der Tee überhaupt nach Russland? Damit beschäftigt sich der folgende Beitrag.
Das genaue Datum – ein Rätsel
Wenn man sich mit dem „Wie“ beschäftigt, darf man natürlich auch das „Wann“ nicht außer Acht lassen. Wann der Tee nun seinen ersten großen Auftritt in Russland hatte, darüber scheiden sich noch immer die Geister. Fest steht, dass es sich wahrscheinlich um den Zeitraum zwischen dem 16. und dem 17. Jahrhundert gehandelt haben muss. Die genaue Jahreszahl ist jedoch unbekannt, schließlich existieren dazu gleich mehrere Berichte.
So soll der Tee laut einigen Quellen 1638 als Geschenk eines mongolischen Khans an den russischen Zaren Michael I ins Land gekommen sein. Andere wiederum setzen das Datum zwanzig Jahre früher an. Laut dieser Version war es ein sich in China befindender russischer Gesandter, der 1618 den ersten Tee aus China nach Russland schickte. Dann gibt es auch noch Berichte über zwei Kosaken, die den Tee 1567 aus China mitgebracht haben sollen.
Inzwischen geht man aber davon aus, dass die Russen schon viel früher mit Tee in Kontakt kamen. Schließlich grenzt Sibirien unmittelbar an die Mongolei und China an. Schriftlich überliefert ist darüber jedoch nichts.
Der Beginn der Teestraße
Während andere Länder ihren Tee auf dem Seeweg erhielten, gelangte der Tee von China aus über den Landweg nach Russland. Dies hatte Russland der direkten Nachbarschaft mit China zu verdanken. Zwischen den Städten, die an der russisch-chinesischen Grenze lagen, herrschte ein reger kultureller und materieller Austausch. Eine dieser Grenzstädte war das russische Nertschinsk. Hier wurde 1689 ein Vertrag geschlossen, der es Händlern erlaubte, komplett frei zwischen Russland und China zu verkehren. Dies war die Geburtsstunde der als „Teestraße“ bekannten Handelsroute zwischen China und Russland.
Die Handelsroute trug diesen Namen, weil Tee mit etwa 80 bis 90 Prozent den größten Teil des über sie transportieren Handelsgutes ausmachte. Jedoch gelangten über sie auch Seide, Baumwolle und Porzellan nach Russland. Von Russland nach China exportiert wurden dafür im Gegenzug Kunstgegenstände und Pelze. Jedoch war der Import nach Russland deutlich größer als der Export aus Russland.
Die Hauptroute der Teestraße erstreckte sich von der chinesischen Stadt Taiyuan bis ins russische Moskau. Von dort aus verlief sie jedoch noch weitere 700 Kilometer und endete schließlich in Sankt Petersburg. Insgesamt hatte die chinesisch-russische Teestraße eine Länge von rund 10.000 Kilometern. Die Route war beschwerlich, schließlich führte sie durch Wüsten und über Berge und es mussten Sümpfe und Flüsse durchquert werden – ganz ohne technische Hilfsmittel und dafür mit Pferden, Eseln oder Kamelen. So war es für die Karawanen nicht unüblich, bis zu einem Jahr auf der Teestraße unterwegs zu sein.
Eine besondere Form von Tee
Den Tee über die Teestraße zu transportieren stellte eine große Herausforderung dar, schließlich ist loser Tee äußerst voluminös. Um den Transport zu erleichtern, begann man damit, den Tee zu kompakten Ziegeln zu pressen. Der Tee wurde dazu zerkleinert, gesiebt, gedämpft und in manchen Fällen noch mit einem Bindemittel wie zum Beispiel Reiswasser versetzt. Oftmals wurden für die Teeziegel nicht nur die reinen Teeblätter verwendet, sondern auch die Stiele und Äste der Teepflanze und manchmal sogar Pflanzenteile, die überhaupt nicht von der Teepflanze stammten. Um den reinen von dem verfälschten Tee zu unterscheiden, versah man die Teeziegel mit Stempeln. Anhand des jeweiligen Stempels konnte man die Qualitätsklasse des jeweiligen Tees erkennen – zumindest in der Theorie, denn Falschprägungen waren hier leider Gang und Gebe.
In China galt der Ziegeltee deshalb als minderwertiger Tee. Da die Teeziegel jedoch leicht zu verpacken und sehr platzsparend waren, zogen ihm die Karawanen ganz klar dem Blatttee vor. Tee, der auf diesem Weg nach Russland gelangt, war auch unter dem Namen Karawanentee bekannt. Neben der typischen Ziegelform hatte dieser Tee auch einen charakteristischen rauchigen Geschmack, wie man ihn heutzutage beispielsweise noch bei chinesischem Rauchtee findet.
So begann die russische Teekultur
Zwar handelte es sich bei Ziegeltee nicht gerade um die feinste Art des Teegenusses, jedoch läutete er mit seinem Auftritt den Beginn der russischen Teekultur ein. Dabei unterschied sich die Teezubereitung noch sehr stark von der heutigen Zubereitungsweise.
Zuerst wurde ein Stück Tee aus dem Teeziegel gebrochen. Dieses wurde dann über dem Feuer erhitzt, denn nur zu gerne machten sich in den Teeziegeln während der langen Reise Insekten oder Pilze breit, die durch die Hitze abgetötet wurden. Ein positiver Nebeneffekt – durch das Rösten wurde der Tee besonders aromatisch. Danach zerkleinerte man das Teestück und übergoss es entweder mit kochendem Wasser oder kochte es in einem Kessel auf. Heutzutage wird Tee in Russland nur noch sehr selten auf diese Weise zubereitet. Stattdessen bevorzugt man inzwischen die traditionelle Zubereitung mit dem Samowar. Wie das geht, stellen wir Ihnen in einem eigenen Blogbeitrag vor.
Im Laufe der Jahrhunderte begann man jedoch damit auf schnellere und vor allem auch günstigere Transportmethoden via Schiff oder Eisenbahn umzusteigen. Die einst so bedeutende chinesisch-russische Teestraße verlor immer mehr an Wichtigkeit und geriet langsam aber sicher in Vergessenheit – und das, obwohl sie die russische Teekultur, wie wir sie heute kennen, erst ermöglicht hatte.